Re: antworten aus der DDwelt


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Abgeschickt von Martine Z... am 03 Juni, 2002 um 14:44:41:

Antwort auf: @martine und viele fragen an den rest der DDwelt von Sigrid Markl (die chérubin-schreiberin) am 02 Juni, 2002 um 18:50:50:

(...)Ich bin immer wieder sehr beeindruckt, mit welcher begeisterung ihr die charaktere von DD diskutiert - ich habe zwar keine ahnung, wie DD ihre "welten" erlebt hat, aber euer engagement kommt meiner leidenschaft für meine figuren praktisch gleich. respekt!


Hallo Sigrid,
Sollten wir dar die Chance auf Toaster an völlig unerwarteter Stelle haben? Könnte es sein, daß du eine potentielle Leserin wärest? DDs Welten sind eine Reise wert, auch wenn dir dabei schwindelig werden kann...

(...)Was mich als schreibende interessieren würde:
Was fesselt einem/eine an einem buch?
Die dinge, die einem fremd sind oder die dinge, in denen man sich/lebenssituationen wiedererkennt?

Mich fesselt das Bekannte im Fremden, irgendwann haben wir mal überlegt, ob DD etwas mit Soap-Operas gemeinsam hat. Ja hat sie, natürlich, die Personen gehören sozusagen zur Familie, aber natürlich würde keiner von uns mit einer Galeere und einem Spinett an den Hof Suleimans des Prächtigen reisen, keiner würde dem Russischen Zaren als Militärberater zur Seite stehen und dabei einen Adler als Schmusetierchen halten, und bei Chancellor hätte ich mich bei aller Abenteuerlust wahrscheinlich doch nicht auf Schiff getraut. Insofern sind Dunnetts Protagonisten (und auch die die nicht in der ersten Reihe stehen) bei allem Spektakulären das sie unternehmen, doch nicht ganz fremd, all diese Menschen begegnen uns als Chraktere mit (großem) Wiedererkennungswert. Sie sind wie wir, ihre Handlungen sind, so ungewöhnlcih auch immer, für uns nachvollziehbar. Und durch sie erleben wir das, was wir nie selbst machen würden in unserem Träumen mit.

(...)Projeziert man wunschvorstellungen (z.b. die probleme einer renaissance-figur sind sooo viel interessanter als meine streitereien mit meinem chef etc...) hinein oder findet man in freuden etwas wieder (aha - die hatten also auch so ihre probleme)?

Bei Dunnetts Figuren dürften es kaum Projektionen als Wunschträume sein, es wären eher Albträume. Es ist eher die „aha, das Problem kenn ich“ –Variante.

(...)Kann man sich in figuren verlieben (im wahrsten sinne des wortes oder enfach große sympathien hegen)?
Kann man sie hassen?
Wenn ja - warum? Schließlich sind sie ja nur "erfunden". Was haben solche - sehr persönlichen - gefühle mit dem leser/der leserin zu tun?

Also ich mag kein Gutmenschen. Wenn in einem Roman die Mannschaften streng nach Hü und Hott, Hui und Pfui, Schwarz und Weiß, sprich Gutmensch vs. Bösmensch aufgeteilt sind ist es mir zuwider es zu lesen. Dunnetts Personen sind nicht „lieb“, sie sind durchaus ambivalent, handeln so, daß wir wütend aufschreien, verletzen sich gegenseitig mit Worten und mit Taten, auch wenn sie zur Mannschaft gehören, der unsere Sympathie gehört und bei der wir gern mitspielen würden, sind sie nicht rein und frei von Schuld. Sie sind nicht diejenigen die das Schicksal aus reinem Übermut beutelt. Auch wenn DD gut ist im Hedenquälen, am meisten quälen ich die Helden selbst.
Ich denke, alle von uns haben eine Schwäche entweder für Claes oder für Lymond - oder für Thorfinn..., ich natürlich eher für UHH, obwohl er mir auch auf der anderen Seiten sicher nicht ganz geheuer wäre.
Warum das so ist, daß sie so real wirken? Eben weil sie Fehler machen, weil sie – trotz aller Geschicklichkeit – nicht omnipotent sind. Sie sind Stehaufmännchen, sie rappeln ich wieder hoch und schlagen zurück, aber sie sind nicht grundsätzlich überlegene strahlende Gutmenschhelden.
Bei Lymond müssen wir in den ersten Kapiteln mit einer ganzen Menge unverständlicher Aktionen, die uns - zugegeben- wirklch schocken, fertigwerden. Dabei ist seine Art zu sprechen noch das erträglichste an ihm. Er läßt auf einen seiner Männer schießen, zündet das Haus seiner Mutter an, sticht eine Nachbarin nieder, und röstet einem englischen Offizier den Kopf. ... Und dann geht es fröhlich so weiter, - auch in späteren Abenteuern läßt er des öfteren seine miese Laune an Schwächeren aus, trifft grandiose Fehlentscheidungen, und richtet ein Chaos nach dem nächsten an..
Schlichtweg, benimmt er sich unausstehlich und ausgesprochen tadelnswert, und das die ganze Zeit, und trotzdem können wir ihn gut leiden, weil er neben nicht nur tadelnswert ist, sondern eben beides, gut und böse, gemein und liebenswürdig..
Und wie im wirklichen Leben leidet er unter seinen Fehlern und Schwächen, kann zum Teil nicht über den eigenen Schatten springen und muß die Folgen seiner Handlungen tragen. Und Dunnett erspart ihren Heldne auch nicht das schlechte Gewissen, oder die Selbstzweifel, oder die Schuldzuweisungen
Nicco ist da leider auch nicht besser, ja sogar noch schwieriger zu durchschauen, da wir ihm noch viel langsamer als Lymond auf die Schliche kommen, daß wir es hier nicht nur mit einem tumben Toren zu tun haben.

Was sagt das über mich aus. Oh je, wahrscheinlcih eine zu wabernde Phantasie und gewisse Schwächen in der alltäglichen Anwendung von moralischen Standards? – oder?


(...)Was unterscheidet romane, die "von der realität abheben" von allen anderen? Haben sie gemeinsamkeiten, auch wenn es sich um historie, fantasy, SF, horror handelt?
Mich interessieren Spielereien, oder Gedankenspiele.

Ich liebe andere Realitäten und besonders wenn sie gut beschrieben sind. Nicht immer finde ich das. (Jaja, ich reite jetzt nicht nochmal auf Folett und Gablé herum, und sag auch nichts über DG)
Ich will, wenn ich schon mich auf eine solche Gedankenspielerei einlasse, wenigstens nach korrekten Regeln spielen. D. h., ich will, daß die Realität, so erfunden sie auch sein mag, für mich auch nach dem Zuklappen des Buches noch stimmt. Ich will mich nicht betrügen lassen. Und solch ein Betrügen, wären z.B. logische Fehler, oder ein deus ex machina, der alles am Schluß rausreißt, oder die Patzer, die wir Anachronismen nennen, als kleine Fehlerchen abzutun, die man einem Buch nicht anlasten sollte. Ich mag vielleicht deshalb keine Romances, da ist mir zuwenig Realität dabei, und es wird zu oft nur eine moderne Beziehungskiste in ein historisches Kostüm gesteckt. Und wie gesagt, bei schlechter „historischer“ Recherche werde ich sehr schnell süffisant. Also vor 1492 keine Kartoffeln in der Suppe, keine Tomaten in der Lasagne, keinen Mais im Feld etc...
Und bitte auch kein Stahlfix auf die Ritterrüstung bevor die IG Chemie es auf den Markt gebracht hat......

(...) Gibt es eventuell etwas, das manche leserschaft bei realitätsorientierten romanen abstösst? [Mir persönlich geht es oft so, dass das thema von zuvielen alltagsdetails ertränkt wird, wohingegen ein distanzierter zugang (mit welchem stilmittel auch immer) den kern freilegt. Aber es gibt auch genies, die realität und aussage unter einen hut bringen können... (ich leider nicht).]

Das ist eine Crux vieler Autoren im historischen Genre. Sie recherchieren sich tot und ihre Charaktere essen das Richtige, tragen das Richtige, sagen das Richtige und sind so platt wie Pappkameraden. Unterlassen sie die Recherche, oder vernachlässigen sie, heißt das natürlich nicht automatisch, daß dann die Bücher besser werden. Die Kunst liegt wie immer im Detail. Wie schaffe ich es, mein immenses Wissen über die Zeit in die Handlung so einzubauen, daß es nicht penetrant als erhobener Lehrerzeigefinger herausragt. Daß aber der Leser auch nicht das Gefühl bekommt, die vernachlässigte Recherche sei der erhobehen Mittelfinger...
Und das gelingt halt nur, wenn man die selbe Sorgfalt auf die Entwicklung der Charaktere legt. Und Dunnett kann das, ohne daß es aufgesetzt wirkt. Es ist sogar oft so, daß in einem Halbsatz plötzlich ein Hinweis auftaucht, ein Ereignis angesprochen wird, das dann bei mir zu Nachforschungen führt. Letztes nicht gerade kleines Beispiel: die Sache mit dem Stundenglas auf den Schiffen des 15ten Jh.
Oder mir begegnet irgendwo einer, den ich bei DD schon kennengelernt habe, oder ich stehe plötzlich vor einem Bild aus der Epoche und entdecke einen Papagei, oder so... Bei Dunnett steht eben nicht in jedem Halbsatz „schaut her das war so und so und ich WEISS es!“ aber wenn in dem Halbsatz erwähnt wird, was sie gerade essen, lesen, musizieren, dann kann ich davon ausgehen, daß es stimmt, daß es das Gericht, das Buch, das Lied wirklich gibt. Das macht für mich ihre Meisterschaft aus, und davor kann ich alle mal den Hut ziehen.

Nicht daß ich das alle Tage erwarte, aber eines erwarte ich von einem Buch schon, daß sich der Autor was zu seine Figuren einfallen läßt, das über „I Tarzan , you Jane“-Pillepalle hinausgeht.

Insofern hat mir die Cherubin –Geschichte schon deswegen gefallen, weil da mit der Figur einiges passierte. Man mag darüber streiten, ob das genau alle Kriterein des historischen Romans erfüllt, aber so schneckenfreserisch bin ich jetzt auch nicht. Travestien jeglicher Art, und auch das Springen zwischen den Genres goutiere ich, wenn mein Unterhaltungsfaktor dabei aufrechterhalten wird.


So, jetzt muß ich aber wieder was anderes machen sonst fällt es ja auf... und falls mir noch was einfällt:
meine Nachbarn sagen immer: man kann ja nachnehmen...

und bitte die andern Damen in der Runde, mein zweiter Name ist "Zurückhaltung", nicht eurer!

Martine



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