Re: @martine und viele fragen an den rest der DDwelt


[ Antworten ] [ Forum www.youkali.de ] [ Zurück ] [Archiv ]

Abgeschickt von Edith N. am 04 Juni, 2002 um 13:12:30:

Antwort auf: @martine und viele fragen an den rest der DDwelt von Sigrid Markl (die chérubin-schreiberin) am 02 Juni, 2002 um 18:50:50:

Dann will ich mich auch mal an einer Beantwortung der Fragen versuchen:

: Was fesselt einem/eine an einem buch?
: Die dinge, die einem fremd sind oder die dinge, in denen man sich/lebenssituationen wiedererkennt?

Hm. Beides. Fremd duerfen die Situationen sein, in denen sich die Menschen befinden. Aber ich liebe es, wenn mir die Reaktionen der Personen dann irgendwie vertraut vorkommen. Hab gerade in einem nicht-historischen Roman THE MEMORY BOX eine Heldin entdeckt, die von der Art und den (unangemessenen) Reaktionen her glatt meine Schwester sein koennte. Fand ich klasse, dass jemand jemanden erfunden hat, der so bekloppt ist wie ich.

Personen, die so handeln, dass ich nichts davon nachvollziehen kann, schaetze ich persoenlich nicht so besonders.

: Projeziert man wunschvorstellungen (z.b. die probleme einer renaissance-figur sind sooo viel interessanter als meine streitereien mit meinem chef etc...) hinein oder findet man in freuden etwas wieder (aha - die hatten also auch so ihre probleme)?

Naja, ein gewisser Eskapismus ist schon mit dem Lesen verbunden. Wenn nix Aussergewoehnliches passiert, ist es in der Regel auch fad. Es soll schon ein bisschen Action sein, die man im richtigen Leben lieber nicht selbst erleben moechte. Das erleben dann stellvertretend die Romanfiguren fuer einen.

Fuer mich gilt aber: Alles in Maßen. Die Handlung sollte bei aller virtueller Abenteuerlust irgendwo noch nachvollziehbar und glaubhaft sein. Seifenopern, in denen einer Person in einer Woche mehr dramatisches Ungemach widerfaehrt als einer ganzen realen Familie innerhalb von 3 Generationen haben zwar auch ihren Unterhaltungswert, aber ernst nehmen kann ich sowas nicht.

: Kann man sich in figuren verlieben (im wahrsten sinne des wortes oder enfach große sympathien hegen)?
: Kann man sie hassen?
: Wenn ja - warum? Schließlich sind sie ja nur "erfunden". Was haben solche - sehr persönlichen - gefühle mit dem leser/der leserin zu tun?

Geliebt hab ich erfundene Figuren allenfalls in meiner Kindheit oder Teenie-Zeit und bedauert, dass es diesen oder jenen Menschen nicht "in echt" gibt. Literarische Figuren hab ich noch nie wirklich gehasst. Unsympathisch und fies gefunden, ja. Aber Reisszaehne wachsen mir da nicht. Dazu sind die Personen doch wieder zu "unkonkret". Etwas annaehernd hass-artiges kann ich allenfalls gegenueber manchen TV-Serien-Rollen entwickeln. (J.R. aus Dallas. Oder Cora in Gute Zeiten, Schlechte Zeiten). Die Leute *sieht* und *hoert* man ja. Romanfiguren stelle ich mir wohl doch nicht so intensiv und lebensnah vor. Da verurteile ich allenfalls gewisse Taten, nicht die Person.

Bei verhassten TV-Figuren weiss ich aber zu unterscheiden zwischen Rolle und Darsteller. Das ist einfach eine unsympathisch gestaltete Kunstfigur. Ich wuerde mich nie entbloeden, einen Darsteller dafuer anzupoebeln.

Wenn es dem Autor gelingt, dass die Konsumenten die Helden lieben oder hassen, hat er wohl einen guten Job gemacht und lebensnahe Personen entwickelt, zu denen man eine Art Beziehung aufbauen kann.

: Was unterscheidet romane, die "von der realität abheben" von allen anderen? Haben sie gemeinsamkeiten, auch wenn es sich um historie, fantasy, SF, horror handelt?

Aber sicher gibt's da Gemeinsamkeiten! Ich lege immer Wert auf eine logische, gut recherchierte, spannende und nicht gleich auf Seite 3 zu durchschauende Handlung. Egal, ob das ganze auf dem Mars, in einer Welt voller Drachen oder im mittelalterlichen Venedig spielt. Ach ja - und eine lebendige Sprache und eine glaubhafte Personenzeichnung haette ich auch gern. Bei besonders technisch orientierter Science Fiction bin ich allerdings auch mal bereit, auf ausgefeiltes Personal zu verzichten, solange der wissenschaftliche Aspekt fesselnd ist (Jurassic Parc).

: Gibt es kreuz- und querschläger zwischen historien/fantasy etc.-romanleserInnen? Ich habe bei meinen recherchen viele verbindungen gefunden, bin mir aber nicht sicher, wie ich sie werten soll...
: Was fasziniert am geschichtlichen?
: Was fasziniert am fantastischen?
: Wo hört sich der spass auf und es ist nur mehr mühsam?

Ich bin eigentlich *kein* Leser von historischen Romanen und hab mich nur durch den spannenden Plot und die faszinierenden Personen in die Dunnett-Welt verirrt. Ich bin eher der Krimi- und SF-Leser, der gerne raetselt und sich fragt, was waere wenn ...

Geschichtlches beginnt mich zu fadisieren, wenn es nicht mehr dazu dient, die Handlung voranzubringen, sondern einzig und allein im Buch steht, weil der Autor in den Klugschei§§modus verfallen ist. DDs 250 real existierende Schotten in Gemini haben mich auch schon an den Rand der Verzweiflung gebracht. Ich hatte doch nur Interesse an den Beziehungen in Niccolos unmittelbarem Umfeld.

Das Fantastische muss eine Grundidee haben und die dann konsequent und logisch weiter verfolgen. Was passiert, wenn eine feudale mittelalterliche Gesellschaft auf eine hochtechnisierte Kultur trifft? Was ist Sache, wenn man bei einer archaeologischen Ausgrabung ein Videogeraet findet, das erst in 10 Jahren auf den Markt kommt? Was geht ab, wenn Computer selbstaendig denken lernen? Oder wenn ein Schiff ausgegraben wird aus einem bislang unbekannten, unzerstoerbaren Material? Wie gehen die Leute damit um, was passiert in der Gesellschaft?

Es sind eigentlich Logik-Spielchen. Die stimmen muessen. Das schaetze ich daran. Genervt bin ich, wenn es zu unlogisch und unwahrscheinlich wird. Und ich z.B. bei Zeitreisegeschichten im Kopf mitrechne und hinterher nachweise, dass die Protagonistin in der Schluss-Szene 15 Jahre und nicht 15 Monate alt sein muesste. Da koennt ich den Vogel kriegen. Da aergert's mich dann, mit so einem Schmarrn meine Zeit verschwendet zu haben. SF hat was mit Science, sprich, Wissenschaft zu tun. Und da dulde ich keine Schlamperei. (Bei historischen Romanen wuerde ich kleinere Pannen nicht bemerken. Nicht mal groessere, fuerchte ich.)

: Gibt es eventuell etwas, das manche leserschaft bei realitätsorientierten romanen abstösst? [Mir persönlich geht es oft so, dass das thema von zuvielen alltagsdetails ertränkt wird, wohingegen ein distanzierter zugang (mit welchem stilmittel auch immer) den kern freilegt. Aber es gibt auch genies, die realität und aussage unter einen hut bringen können... (ich leider nicht).]

Was an realitatsbezogenen Romanen stoert? Das gleiche wie bei allen anderen, die nicht gut gemacht sind: Langeweile, mehr Geschwafel und Gegruebel als Handlung. Missionarischer Eifer, sprich, wenn mir einer die Welt erklaeren will. Langeweile, Unlogik und hoelzerne Personen. (Den groessten Sch**ss, den ich in den letzten Jahren gelesen habe, war der Roman DIE TRUHEN DES ARCHIMBOLDO, Autor hab ich schon wieder verdraengt. Aber der Schinken hatte alle Untugenden. Bei Amazon.de hab ich ihn verrissen.)

: Fragen über fragen....

... und hoffentlich ein paar ansatzweise brauchbare Antworten.

:




Antworten:



Ihre Antwort

Name:
E-Mail:

Subject:

Text:

Optionale URL:
Link Titel:
Optionale Bild-URL:


[ Antworten ] [ Forum www.youkali.de ] [ Zurück ] [Archiv ]