Na warte!


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Abgeschickt von Martine am 09 Juni, 2006 um 23:58:01:

Antwort auf: 'ne harte Nuss :) von Claudia am 09 Juni, 2006 um 18:31:00:

Das nun dazu: %-)


Ich habe zu den Männer- und Frauenfrage bei Dunnett eine eigene Theorie, daß sie nämlich einen recht interessanten wWssenschaftdiskurs vorweggenommen hat.

Dazu hier ein paar ungeordnete Gedanken:


Zuerst einmal: Wir Deutschen haben es schwer:
Wir haben für zwei Begriffe nur ein Wort: Geschlecht.

Die englischsprachige Aufteilung in *sex* als biologischen Körper und *gender* als kulturelle Kodierung des Körpers hat sich seit den 1980er Jahren durchgesetzt und spielt eine zentrale Rolle im amerikanischen und britischen Wissenschaftsdiskurs. Die Kategorien von sex und gender verweisen auf die Konstruktion der Geschlechtsidentität und kritisieren Vorstellungen von feststehenden und ursprünglichen Auffassungen von Natur, Geschlecht und Identität. Wissenschaftstheoretisch hat die sex- gender Debatte zum Infragestellen wissenschaftlicher Kategorien von Objektivität, Normativität und feststehender Hierarchisierung und Dichotomisierung von Erkenntnis geführt. [...]
Der männliche Körper war das Symbol des Geistigen und Technischen, der weibliche war das Symbol der Sterblichkeit, der Erotik, des Körperlichen;
das hatte bis ins 20. Jahrhundert hinein zum Ausschluss der Frauen aus Bildungseinrichtungen und Berufsfeldern und akademischen Berufen
geführt. Noch während der Aufklärung diskutierte Fichte, ob Frauen auch Menschen seien, oder doch eher Natur, also etwas zu Beherrschendes, zu
Verdinglichendes.(1)

Die Frauenforschung (heute: Geschlechterforschung, - schließlich haben auch Mäner ein Geschlecht!) hat seit den sechziger Jahren die gesellschaftliche Benachteiligung von Frauen analysiert und gefordert, dass die Wissenschaft sich mit den Ursachen und Schritten zur Beseitigung Diskriminierung von Frauen beschäftigen solle. Wesentliche Ursache dieser Diskriminierung war (und ist) die Vorstellung, dass die *Geschlechterordnung* das Ergebnis des biologischen Unterschieds zwischen Männern und Frauen sei und dass daher die männliche und weibliche Natur als Grundlage für die unterschiedliche gesellschaftliche Stellung von Männern und Frauen gesehen wurde.

Auf deutsch: *Biologie als Schicksal* sozusagen.
Und natürlich damit auch Zweigeschlechtlichkeit als Schicksal. Oder was nicht die Norm ist, gibt es nicht...
Während "sex" also biologisch konnotiert war, wurde in der angelsächsischen Wissenschaft "gender" als Begriff für die sozialen und kulturellen Komponenten eingeführt. Das sollte ermöglichen die gesellschaftlich oder psychisch unterschiedliche Situation von Männern und Frauen als Ergebnisse historischer Entwicklung und politischer Entscheidungen und nicht als Konsequenz "natürlicher" Differenzen zwischen Männern und Frauen erscheinen zu lassen.
Die begriffliche Unterscheidung von *sex* und *gender* war schon in den fünfziger
Jahren in der medizinisch-psychiatrischen Diskussion um Transsexualität aktuell um die Auseinanderentwicklung von körperlichem Geschlecht und Geschlechtsidentität zu bezeichnen.

Also müssen wir da mal wieder sagen, Madame D. war uns wieder mal eine Nasenlänge voraus. Als sie in den 60ern begann ihre Romane zu schrieben, war sie auf dem wissenschatlchen Qui vive, in GB und USA.

Nun ist das aber nicht alles so einfach wie e sich anhört, sondern hat auch in de Forschung heftige Diskussionen ausgelöst. In ihrem Buch "Gender Troubles" vertritt Judith Butler die These, dass die Identitäten der Geschlechter nichts natürlich Gegebenes sind, sondern sozial und sprachlich von jedem und jeder einzelnen immer neu aufgenommen und in Szene gesetzt werden. Die Neufassung des Verhältnisses von *sex* und *gender*, die mit Butler
zum festen Bestandteil der Geschlechtertheorie wurde, sieht beides *sex* und *gender* als kulturelle Konstrukte. Und sie sind nicht voneinander trennbar, da auch *sex* erst durch unsere kulturell bedingte Sichtweise seine Bedeutung erhält. *sex* entpuppt sich als *gender*, wie es Judith Butler formuliert hat.

Und was gilt hier jetzt für Dunnetts Helden? Haben die auch *Gender Troubles*?

Oh ja, und wie:

Bis zur Renaissance gab es, basierend auf Aristoteles und Galen ein "ein-Geschlecht-Modell", das besagte die Sexualorgane von Mann und Frau nicht prinzipiell unterschiedlich seien, dass vielmehr die "Natur der Frau" die nach innen gekehrten Geschlechtsteile des Mannes seien, Frauen also nach innen gekehrte und daher weniger vollkommene Männer seien. Dies entsprach auf einer anderen Ebene der Aristotelischen Zeugungstheorie, wonach Frauen unfertige, (nicht zu Ende gekochte, jaja, nicht ich hab mir das ausgedacht!) Männer seien (mas occasionatus). Bis eben die Anatomie der Frühen Neuzeit die bisher nicht bekannte "Tatsache" offenbarte, dass die Vagina wirklich ein Penis sei und der Uterus ein Hodensack.
Soviel dazu.

Zu den Geschlechtsvorstellungen der Frühen Neuzeit gibt es eine schöne Website, die ich hiermal gepostet habe. Mal gucken, ob ich sie wiederfinde.
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Zu den Vorstellugen, die wir von Frauen in der Geschichte haben:

Die Historiker des 19. und auch noch des 20. Jahrhunderts entwarfen ein Bild der Vergangenheit, in dem Frauen an historischen Prozessen weitgehend unbeteiligt waren oder bloße Statistinnenrollen einnahmen. Dies gilt nicht nur für jene gesellschaftlichen Bereiche, in denen Frauen eine Minderheit darstellten sondern sie taten überhaupt diese Fragen oft mit dem Hinweis ab, dass Frauen in den Quellen leider nicht vorkämen.

Die Frauen- und Geschlechtergeschichte förderte aber eindrucksvoll zutage, dass die mangelnde Repräsentation von Frauen kein Quellenproblem, sondern eine Folge ideologischer Vorurteile und politischer Interessen der Historiker war. Wir sollten uns also hüten, diese alten Denkfiguren unhinterfragt, weiterzuerzählen, insbesondere wenn wir es mit Dunnett zu tun haben.

Dabei bleibt nämlich unbeachtet, dass die Denkfigur einer Differenz zwischen Frauen und Männern selbst eine historische Konstruktion ist, jede Unterscheidung, egal ob zwischen Mann und Frau, schwarz und weiß, groß und klein, dünn und dick etc. immer schon eine kulturelle Ordnung voraussetzt, in der dies bedeutungsvolle Differenzen sind.
Menschen sollten also nicht als Gefangene der Strukturen, sondern als Agierende und Reagierende, als AkteurInnen betrachtet werden. So weist das Konzept des *doing gender* Männern wie Frauen *agency* (Handlungsfähigkeit) zu. (Man denke nur an Sybilla oder Christian) Gender wird in den alltäglichen Interaktionen zwar hervorgebracht, seine normative Bedeutung kann dabei jedoch sowohl bestätigt, verschoben oder auch umgedeutet werden.


(1)Heidemarie Stegmann-Meißner
Zur Einordnung der aktuellen Debatten um die Kategorie des
Geschlechts in Frauen-, Geschlechter- und gender- Forschung)
__________________________

Soviel zum ersten... und nun ab in das Katzenkörbchen...
Martine




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