Re: Frauen zu Niccos Zeiten


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Abgeschickt von Martine am 16 April, 2011 um 18:33:59:

Antwort auf: Re: Frauen zu NIccos Zeiten von Grisel am 15 April, 2011 um 22:38:39:

Hallo Grisel,

hab mal kurz bei dir vorbeigeschaut und mir auch den Weblink zu Frauen im MA angeguckt. Bitte den wieder in das Reich der Trivialwissenschaften verbannen. Da steht eine ganze Menge Unsinn drin, der inzwischen von der Forschung widerlegt ist. (Der Link/Aufsatz ist von 1999 und da war er schon nicht mehr aktuell).

Zuerst ist die Datierung unter „Zeitinformation“ falsch. Es gibt immer wieder militante Mediaevisten die Mittelalter bis Napoleon oder noch weiter verlängern, aber bitte, inzwischen ist sich die Forschung einig, dass zwischen Mittelalter und Moderne die Frühmoderne oder Frühe Neuzeit kommt. (Meist datiert mit 1500 bis 1800, plusminus 50 Jahre). Renaissance ist eine Bezeichnung aus der Kunstgeschichte. Die Frühe Neuzeit (FNZ) besteht aus vielen unterschiedlichen kunstgeschichtlichen Epochen, wie z. B. Spätgotik, Renaissance Manierismus, Barock, usf....

Dann zur Hexenverfolgung. Die fand nicht im Mittelalter, sondern in der FNZ statt. Da etwa, als die Reformation in Europa erstarkte und Glaubensauseinandersetzungen auch Streitigkeiten in den Eliten bedeuteten. Es ist inzwischen widerlegt, dass nur, oder fast nur Frauen als Hexen verfolgt wurden, hatte der Wahn erst mal eine Gemeinde oder einen Landstrich erfasst, waren beide Geschlechter schnell auf dem Scheiterhaufen gelandet.

Forschungen haben auch ergeben, dass nicht das sprichwörtliche Kräuterweiblein oder Hebammen im Fokus der Verfolgung standen, sondern gutbetuchte Bürger und reiche Familien. Hier wurden Vermögensstreite und Familienkonflikte über die Hexenverfolgung ausgetragen und damit der Teil der ansässigen Eliten mit der falschen Gesinnung, den falschen politischen Zielen, oder den falschen Freunden eliminiert.

Auch die Sache mit der Kleiderordnung ist eher so, das die vielen schriftlichen Erlasse und Beschwerden über nicht eingehaltene Kleiderordnungen darauf hin deuten, dass da sich der Wille der Obrigkeit nie richtig durchsetzen konnte.

Richtig feste ist mir auch die Sache mit der Freizeit der adeligen Frauen aufgestossen. Die hatten nämlich ziemlich wenig Freizeit. Da die Männer des öfteren gewalttätigen Aussenaktivitäten nachgingen, waren die Frauen die Manager der Güter und des Vermögens.

Also nix mit sticken, häkeln, Ritterturnier, das waren absolute Ausnahmen. Ein Gut oder eine Burg verlangten etwas mehr von der Leitung als hübsch auszusehen und den Hennin durch die Gegend spazieren zu tragen.

Falsch ist auch die Darstellung der Besitzverhältnisse. Zitat: „Frauen, die ein reiches Erbe erhalten hatten, mußten sich meistens neu verheiraten, um ihren Besitz zu schützen.“
Das stimmt hinten und vorne nicht. Unantastbar im Besitz der Frau bleibt ihre Mitgift. Die wurde erst nach ihrem Tod an die Kinder vererbt. Bis dahin war sie der alleinige Besitz der Frau.


In der Regel gilt zu der Rolle der Frauen im MA und der FNZ, dass sie keine wehrlosen Opfer waren. Sie nutzten die Beschränkungen und Grenzen ihrer Handlungspielräume aus, übertraten sie wie Alessandra Strozzi, weiteten sie aus und verschafften sich Gehör wie Christiane de Pizan, verfolgten ehrgeizige politische Ziele selbstbewusst und erfolgreich wie Gracia Nasi.

Alles in allem kann ich zu Dunnetts Frauen sagen, dass sie für mich sehr viel „richtiger“ sind als die üblichen Frauen der Xy–innen-Romane, die meist als sich befreiendes Opfer in einer Ausnahmesituation dargestellt werden. Dunnett zeigt, dass die von den trivialen Historienschmonzetten beschriebene Ausnahmesituation eigentlich gar nicht stattfand, weil sie keinen Platz in der Zeit hat. Dunnetts Figuren sind für mich authentischer, weil sie in ihren Handlungsspielräumen real agieren, ohne große Melodramatik vom armen Hascherl zum Prinzesschen.


Literatur habe ich ja schon genannt,

Gruß Martine




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