Abgeschickt von amicadd am 01 Mai, 2002 um 21:09:15
Antwort auf: Re: romanhelden von Martine am 01 Mai, 2002 um 19:42:50:
: Liebe(r) Amicadd
: Du wolltest wissen:
: kann eine romanpersönlichkeit - obgleich sie ja nicht existent ist - dennoch schmerzlich vermisst werden im
: adäquaten umfeld?
:
: Zum einen Teil der Frage, denn den andern kann ich nur sehr vage beantworten:
: Ja, obwohl sie nicht existent sind, sind Dunnetts Helden für uns schon real.
: Ich würde das so beshreiben:
: Wenn sich Dunnettleser an einem öffentlichen Ort treffen, - sagen wir mal im Café - und sie reden dort über die Bücher, dann hört sich das für den evtl. mitlauschenden Nebentisch so an, als ob sie über Familenmitglieder und Bekannte reden, oder soll ich sagen herziehen?.
: Das geht mir nicht oft so mit Romanfiguren. Dunnett verwendet, um diese Beziehung zu den Figuren herzustellen, natürlich einen Trick. Diese nicht auktoriale Erzählhaltung, die uns das Innenleben er Figuren vorenthält, macht sie für uns zugleich realer, da wir sie so erleben, wie wir andere Menschen in der Realität auch erleben: unmittelbar durch ihr Handeln, ohne das Mithören deren innerer Monologe.
: Vermisse ich Dunnetts Helden in der Realität. Nein.
: Lymond und ich in einem Zimmer und es würde Blut fließen. Es wäre auch nicht sicher, wessen.
: Nicholas und ich in einem Zimmer und ich würde mich zu Tode langweilen, oder mal schauen was er reparieren könnte.
: Thorfinn und ich in einem Zimmer und ich würde mich fürchten.
: Johnson und ich in einem Zimmer und die Whiskyvorräte gingen zu Ende.
: Also vermisse ich keinen, es ist natürlich eine nette Gedankenspielerei, zu überlegen was wäre wenn, aber diese Überlegungen sind eben Spielerei und ich würde mich nie so sehr auf eine erfundene Person kaprizieren, daß ich sie "vermissen" würde. Schließlich hat man sein eigenes Leben und das ist schon kompliziert genug.
: Auf der andern Seite, sind diese Bücher für mich immer "wie neu" da die Möglichkeit der Interpretation unendlich ist - und so ihr "Zauber nie verblaßt.. Und ich muß dazu auch gestehen, Game of Kings war für viele Jahre das Buch das mich begleitet hat. Nicht das einzige Buch, aber viel meiner "literarischen" Begleiter, sind inzwischen in die Jahre gekommen, dieser jedoch nicht.
: Und nun bin ich auch neugierig.
: Dunnettleser oder (noch) nicht?
: Martine
hallo,
danke für eure antworten, die ich sehr interessant finde. von dd habe ich alle bücher, die bisher in deutsch erhältlich sind gelesen,
wobei ich nach bd 2 der lymond-saga lange suchen musste. den ersten bd habe ich schon vor 30 jahren im teenageralter gelesen, aber mehr als die handlung nicht verstanden. dennoch fand ich das buch sehr bemerkenswert. anfang der 90er
jahre stieß ich dann auf das erste nico-buch.
von da ab fand ich die lymond-figur nicht mehr
so faszinierend. was ich an der nico-figur so
bewundere - jedenfalls so weit, wie ich sie bisher in ihrer entwicklung kennengelernt habe -
ist ihre große duldsamkeit hinsichtlich der
schwächen anderer. vor einigen jahren, als ich
durch die grachten groningens fuhr, dachte ich,
dass es sehr schade ist, dass die person nicht
existiert, man sich nicht mit ihr unterhalten kann, sie müsste doch da irgendwo in den gassen
sein (einfach nur, weil es in den niederlanden war).
inzwischen habe ich "gefahr dür die königin
gelesen und mit pif angefangen. ich finde inzwischen, dass lymond und nico sich bisweilen ähnlich sind (vgl. auch äußerung von dd). zb. in ihrer grundeinstellung gegenüber mitmenschen. beide nehmen die anderen so an, wie sie sind. indoktrinieren liegt ihnen fern.
meine frage, die ich gestellt hatte, bezog sich aber nicht nur auf den persönlichen bereich. sie war auch gesellschaftspolitisch gemeint. so lese ich besonders gerne die ausführungen von lymond (bd1) zum patriotismus. wäre solch eine persönlichkeit - übertragen auf heute- im politischen bereich wünschenswert? und daran schließt sich für mich eine noch weitergehende frage an: angesichts der wohl unstrittigen tatsache, dass auch in einer demokratie führungspersönlichkeiten notwendig sind, wieviel handlungsspielraum können, dürfen, müssen wir/das volk/der souverän ihnen gewähren, damit sie zum wohlergehen aller agieren können?
viele grüße amicadd
p.s.: pc-technisch kenne ich mich nicht besonders aus: mit URL und link in verbindung mit titel kann kann ich nichts anfangen. vielleicht habe ich etwas falsch gemacht!