"... please God, with saving laughter..."


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Abgeschickt von Martine am 20 Mai, 2002 um 17:07:25:

Antwort auf: Re: heidelbeerkuchen von Saskia (ami...) am 18 Mai, 2002 um 02:26:44:

Hi amicadd, oder Saskia?


(...) Ihr habt geschrieben, er sei - im Unterschied zu Nc - kein Lehrer. Aber so oft beweist er doch sein außerordentliches Empfinden für mitmenschliche Regungen.


Ja die hat er schon, aber das macht keinen Lehrer. Er ist - im Gegensatz zu anderen -, nicht daran interessiert, jemanden zu erziehen, denn in gewisser Weise ist er sich selbst genug. Sonst würde ja auch diese Zurückgezogenheit auf sich und diese besondere "Miteilsfreudigkeit" nicht funktionieren. Meinst du vielleicht, daß es Situationen gibt, wo er sich für jemanden verantwortlich fühlt, wie z.B. in GoK für Will Scott, der zu ihm kommt und ihn als Vorbild (für das Böse) wählt, Robin in QP, den er zu retten versucht, und letztendlich doch verraten bzw. enttäuschen muß?

Es ist möglicherwiese, eher eine Mentorfunktion, die er bereit ist auszuüben, nicht die Funktion des Lehrers und diese Funktion des Mentors, beziehungsweise des Vorbildes an dem man sich abarbeitet, wie es z.B. Will tut, er nur nur dann, anbietet, wenn er glaubt, daß er verantwortlich sei. Das steigert sich natürlich mit der ansteigenden Egomanie im Laufe seines Lebens.

(...) Zum anderen: Ist sein Selbstschutz nicht die Selbstbeherrschung, das Zurücknehmen seiner Emotionen?
Du schreibst, "Ly verliert seine Unschuld in GoK. Er weiß das (...), er muss erwachsen werden", was ich nicht ganz verstehe. Von welcher Perspektive aus betrachtet?

Ja, das muß ich kurz erklären. Ich denke, daß Lymond erst in GoK lernt, die Tragweite seiner Handlungen einzuschätzen. Durch den Tod von Christian und durch den Tod von Matthew Abernathy. Vorher war es ein Spiel, zwar ein gefährliches Spiel, aber der Junge hat auch eine gewisses Maß an Selbstüberschätzung, daß er nämlich dieses Spiel ohne Verluste spielen kann. Und die Verluste die dann eintreten, lösen die ersten Konflikte mit seiner Bestimmung aus. Er verliert beinahe noch mehr, nämlich die Liebe seiner Familie (Richard und der Konflikt mit ihm) Mariotta, die er in eine völlig dumme Schwärmerei hineinzieht, ohne daß er es vorhat, Sybilla, die sich entscheiden muß zwischen ihm und Richard. Das sind die Momente wo ihm das Spiel entgleitet, wo Plan A scheitert, Plan B nicht mehr funktioniert und der Rest sozusagen die Improvistion in der Katastrophe ist. Und er last, not least, egomanische Züge entwicklet, indem er annimmt, alles passiere wegen ihm und durch ihn.

Soviel zum Wunderwuzzi, wie Grisel immer so schön sagt.

(...)Ich meine auch, dass er im Laufe der Entwicklung von seiner Ironie und seinem Sarkasmus Abstand nimmt.

Ja, er lernt, daß er nicht der Wunderwuzzi ist, der immer und überall das Böse im Griff hat.

(...)Zu deiner Frage am Schluss: Zur Figur von Nc kann ich nichts sagen bzw. nur eingeschränkt, da ich die Romane noch nicht vollständig gelesen habe; dies trifft zwar ebenso auf Lc zu, aber für mich ist die Figur von Nc facettenreicher, nicht zuletzt deswegen, weil ihn der Leser über einen längeren Zeitraum hin begleiten darf, einen ganz entscheidenden, wie ich meine: Am Ende ist Nc 42 Jahre alt (s.u.).


Das ist genau der Punkt, wo ich bei Nicco nicht entschieden bin. Die sehr lange Entwicklung ist einerseits viel einsichtiger, andererseits viel vorgeschriebener. Bei Lymond muß ich mir viel zusammen reimen, bei Nicco erlebe ich viel mit und muß nur wenige Jahre rekonstruieren.
Vielleicht stehe ich mehr auf das Geheimnis als auf Miterleben.


(...)Ich glaube, dass Ly die "Unerschütterlichkeit" erreicht hat mit Checkmate.(...). Er lebt nach seinen Gefühlen. Seine Ratio und seine Gefühle sind im Einklang, er unterdrückt sie nicht mehr.

Ich bin mir nicht so sicher. Er hat zwar jetzt die "Sterne und die Karten" und die offene See vor sich , aber seine Navigation ist immer noch nicht sicher. Auf dem Meer lauern wieder die Gefahren, und ob er jedes Riff ganz souverän umschifft, das glaube ich nicht. Zu viel ist ihm zugestoßen, zu schwer sind die Traumen die er verarbeiten muß. Er hat zwar nun Philippa an seiner Seite, aber wie steht es damit, daß viele Schulden offen sind: Marthe , Austin, Khaireddin, etc..?


(...) Das mit dem "jugendlichen Überdruss" habe ich leider nicht verstanden. Der Autor meinte, die Philosophie dürfe nicht blutleer, abstrakt sein, nicht abgehoben vom "normalen" Menschen.


Ich hatte das Zitat eher so interpretiert, daß der Ausruf bedeutet, wenn nicht durch Wissen (Philosphie) eine Julia erlangt werden könne, sei die Philspophie egal, also das Wissen und Lernen, denn ohne Julia (= ohne liebendes Gegenüber) hinterließe Wissen nur eine Leere. Aber das Wissen ist eben nicht etwas was egal ist, wenn es keinen Menschen hat. Wissen an sich ist da, was die Menschen daraus machen, ist ihre Sache.


(...) Ly hat seine Ruhe gefunden. Der Leser - so erging es mir - erwartete nach all den düsteren Entwicklungen seinen Tod. (...) Aber - so habe ich mich gefragt -was wäre dann? Letztendlich wäre ich als Leser nicht zufrieden, obgleich ich als Leser mich ja schon darauf eingestellt hatte.

Ja, Dunnett ist wirklich gut im "Helden quälen". Und sicher, da ist soviel Schuld angehäuft, daß man schon fast davon ausgehen kann, daß der Held nicht überleben soll. Alle denken das. Dunnett arbeitet zielstrebig darauf hin. Tod oder Erlösung, obwohl der Leser keine Möglichkeit mehr der Erlösung sieht, und sich in das Heldenschicksal dann auch ergibt.
Wie wäre es, wenn das einträfe? Wie empfinden das die andern, hier? Was würdet ihr davon halten, wenn die Chronicles mit Lymonds Tod enden würden?

Ich bin so neugierig auf die anderen Meinungen, daß ich mich hier erst mal zurückhalten will.

(...) Für mich bewegen sich Ly und Nc aufeinander zu. Der eine muss Gefühle zulassen, der andere muss sie kanalisieren.


Ja, genau! Sehr schön, der eine hat zu viele Grenzen, der andere zu wenige.


(...) Für mich ist dieses "please God, with saving laughter" bedeutend. Er wird nicht mehr in seine bisher gewohnte Art zu leben zurückgehen, eine Art, der er vordem geradezu verfallen war. Bis dato wurde sein Aktivismus indirekt gesteuert von seinem Geheimnis, der Suche nach sich selbst.

Ich denke, daß der ihm immanente Selbstzerstörungsmechanismus, entschärft ist, mit diesem "please god, with saving laughter", es wird ihm gelingen, sich selbst nicht mehr so egomanisch zu verhalten, daß er jede Schuld sich selbst gibt, aber das bedeutet nicht , daß die latenten Mechanismen vollständig außer Kraft sind. Philippa wird ihm zur Seite stehen, und sicher, es wird seinen Lebensweg bestimmen. Aber Dunnett läßt uns Leser allein, sie beschreibt nicht die Auswirkungen des kommenden Bürgerkrieges, die nicht sehr glückliche Zeit, die unter Marys Regentschaft anbricht, wie werden die Crawfords und ihre Freunde dann leben? Das bleibt uns verborgen.

(...) Hinzu kommt: was wäre wenn Philippa nicht mehr lebte? Wie stabil ist sein Fundament lebensbejahender Existenz auf Dauer?

Nein ,das wäre nicht von Dauer, ich fürchte, das wäre dann die endgültige Katastrophe.
(...) Annahme: Die wirklich starken Persönlichkeiten sind die Frauen und er ist ein "shifting european".

Grinz!
Daß bei Dunnett, die Frauen oft unterschätzt werden, weil sie mehr im Hintergrund agieren, ist eine meiner Lieblingstheorien.

(...) Warum kommt er am Ende nach Schottland zurück? Könnte er auch in einem anderen europäischen Land seine Selbstzufriedenheit in der Partnerschaft mit Philippa finden - gemäß dem Motto: UBI BENE,IBI PATRIA ?

Ich denke, daß Lymond, zwar diese Fähigkeit hat, aber sein Heimat am Ende gewählt hat. Obwohl das "for which purpose ever" Möglichkeiten zuläßt die außerhalb Schottlands liegen, sollte dieser Zweck ein besseres oder sinnvolleres Leben versprechen.


(...) Dabei denke ich an Sybilla. Ihre Bindung erfolgt doch über den Partner bzw. über die Kinder. Wird er nun von der Grundsituation her das Leben führen, das sie sich immer erträumte? Was für eine Persönlichkeit ist sie? Welche Lebensplanung hatte sie? Ist sie eine Rationalistin in der Durchsetzung ihres Lebenszieles, das von Emotionen getragen wird? Ist sie ein Stück weit Fatalistin im positiven Sinne, da sie davon ausgeht,dass es ihr Schicksal gewesen sei, Fr. Crawford maior geheiratet zu haben? Ist das ein Zug von Nc, die Ergebenheit in das Schicksal?

Sybillas Rätsel wird nie gelöst, Auch das bleibt Spekulation. Sie ist jedoch für mich eine der zentralen Figuren, gerade weil ihr Rätsel unaufgelöst bleibt. Sie schafft es, trotz ihres Unglücks (noch) glücklich zu werden, sie findet was sie sucht letztendlich in ihren Kindern, und sie ist stark, In Checkmate, sagt sie, sie hat ihre Kindern nicht geboren, nur für diese allein. Sie fordert von ihnen auch ein Stück von ihrem (unerfüllt gebliebenen) Glück ein.
Und das in Checkmate auf eine ungemein brutale Art, als sie ihren Sohn ins Leben zurückholt. Und kurz davor, sehen wir sie in der Kirche, als sie ihr Schicksal annimmt, nicht bedauert.

(...) Alles Fragen, aber welchen Wert haben sie angesichts der Tatsache, dass dir doch bei deinem Schatz an literarischem Wissen Vergleiche, Bezüge tausendfach "entgegenschallen" müssen?

Göttin sie Dank ist mein Wissen nicht so groß, daß mir das ununterbrochen passiert, sobald ich Dunnett aufschlage. Da schallt mir eher men Unwissen entgegen. Du überschätzt mich gnadenlos. Denn so werde ich sie noch lange, sehr lange mit Vergnügen studieren können. Es ist mein kleines Privatvergnügen, Wissen auszuweiten, indem ich mich mit DDs Büchern beschäftige und aber auch meine Anregungen aus ihren Büchern schöpfe. Das erklärt vielleicht deine Frage, warum ich auch gern ein alumni bin.

Wie hat Chris mir vor kurzem geschrieben: Lesen heißt Denken. Ein Satz den ich wirklich jederzeit für mich unterschreibe. Ich finde Entspannung darin zu lernen. Auf mein Weise zu lernen, allerdings. Und meine Weise ist so chaotisch wie assoziativ wie sprunghaft.


Martine



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