Re: heidelbeerkuchen


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Abgeschickt von Saskia (ami...) am 18 Mai, 2002 um 02:26:44

Antwort auf: Re: heidelbeerkuchen von Martine am 14 Mai, 2002 um 00:53:11:

Hallo Martine,

heute finde ich Zeit, um zu antworten.
Zum Umgang mit der kleinen Philippa: Ich weiß wohl, warum er dergleichen versucht (Versöhnung).
Ihr habt geschrieben, er sei - im Unterschied zu Nc - kein Lehrer. Aber so oft beweist er doch sein außerordentliches Empfinden für mitmenschliche Regungen. Also frage ich mich, ob dies ein Zugeständnis an die Dramaturgie ist. Gibt es solche Zugeständnisse an die Aufrechterhaltung der Spannung zu Ungunsten der Persönlichkeit?

Zum anderen: Ist sein Selbstschutz nicht die Selbstbeherrschung, das Zurücknehmen seiner Emotionen?

Du schreibst, "Ly verliert seine Unschuld in GoK. Er weiß das (...), er muss erwachsen werden", was ich nicht ganz verstehe. Von welcher Perspektive aus betrachtet? Er ist erwachsen, von seiner Warte aus kann er unter diesen Umständen nicht anders handeln - die Reflexion und Erkenntnis von ihm aus kommt erst sehr viel später. Ich meine auch, dass er im Laufe der Entwicklung von seiner Ironie und seinem Sarkasmus Abstand nimmt.

Zu deiner Frage am Schluss: Zur Figur von Nc kann ich nichts sagen bzw. nur eingeschränkt, da ich die Romane noch nicht vollständig gelesen habe; dies trifft zwar ebenso auf Lc zu, aber für mich ist die Figur von Nc facettenreicher, nicht zuletzt deswegen, weil ihn der Leser über einen längeren Zeitraum hin begleiten darf, einen ganz entscheidenden, wie ich meine: Am Ende ist Nc 42 Jahre alt (s.u.).

Ich glaube, dass Ly die "Unerschütterlichkeit" erreicht hat mit Checkmate. Nicht so, wie es bei Epikur oder in der jüngeren Stoa gedeutet wird,sondern so wie bei R. Salomon und der Deutung des Julia-Zitats. Er lebt nach seinen Gefühlen. Seine Ratio und seine Gefühle sind im Einklang, er unterdrückt sie nicht mehr. Das mit dem "jugendlichen Überdruss" habe ich leider nicht verstanden. Der Autor meinte, die Philosophie dürfe nicht blutleer, abstrakt sein, nicht abgehoben vom "normalen" Menschen.

Ly hat seine Ruhe gefunden. Der Leser - so erging es mir - erwartete nach all den düsteren Entwicklungen seinen Tod. Und damit spielt die Autorin auch. Aber - so habe ich mich gefragt -was wäre dann? Letztendlich wäre ich als Leser nicht zufrieden, obgleich ich als Leser mich ja schon darauf eingestellt hatte. Beinahe wäre es so gekommen. Was wäre dann jedoch mit dem Leser geschehen? Hätte es einen Nachklang, eine Übertragung gegeben? Erst so kommt der Impuls zum Leser.Ich glaube, gerade der zweitletzte Satz ist auch insbesondere an den Leser gerichtet. Am Ende hat Ly alles erreicht. Ich sehe das nicht so pessimistisch ("Sie erreichen nicht ihre innere Harmonie, nur eine Idee davon ..."). Hat DD dies gesagt?
Es ist am Ende von Checkmate von der Gefühlslage her so überwältigend formuliert, das ich mir dies nicht vorstellen kann. Im Zentrum steht Philippa . Bei der Lennox ist noch alles offen: Einschränkung der persönlichen Entscheidungsfreiheit durch Bindung oder Entfalten der eigenen Persönlichkeit durch das "Sich-Einlassen" auf das Gegenüber in einer intimen Gemeinschaft.
Für mich bewegen sich Ly und Nc aufeinander zu. Der eine muss Gefühle zulassen, der andere muss sie kanalisieren.

Ly ist am Schluss der Erzählung 32 Jahre alt. Ich glaube, dass für ihn das WIR im Vordergrund stehen wird bei allem, was er planen wird: Kinder, Familie (Vgl. Ende von Bd 2). So gesehen ist er im Grunde konservativ. Für mich ist dieses "please God, with saving laughter" bedeutend. Er wird nicht mehr in seine bisher gewohnte Art zu leben zurückgehen, eine Art, der er vordem geradezu verfallen war. Bis dato wurde sein Aktivismus indirekt gesteuert von seinem Geheimnis, der Suche nach sich selbst. Jetzt kann er von einer ganz anderen Warte aus agieren. Und die Äußerungen lassen dies vermuten, wie ich annehme. Ich frage mich allerdings, was er im Alter von Nc sagen würde. Nach allgemeiner Erfahrung - oder ist das eine Übertragung der heutigen Erwartung an das Leben - müsste/könnte ein neuer Prozess der Selbstreflexion einsetzen, ohne dass dabei sein bisheriges Leben in Frage gestellt werden bräuchte. Es könnte eine Frage nach der weiteren Perspektive ausgehend von der im Alter von 32 Jahren geschaffenen Basis folgen. Hinzu kommt: was wäre wenn Philippa nicht mehr lebte? Wie stabil ist sein Fundament lebensbejahender Existenz auf Dauer?


Annahme: Die wiklich starken Persönlichkeiten sind die Frauen und er ist ein "shifting european".
Warum kommt er am Ende nach Schottland zurück? Könnte er auch in einem anderen europäischen Land seine Selbstzufriedenheit in der Partnerschaft mit Philippa finden - gemäß dem Motto: UBI BENE,IBI PATRIA ? Wie stark ist seine Bindung zur Heimat? Welche Definition von "Heimat" hat er überhaupt? Dabei denke ich an Sybilla. Ihre Bindung erfolgt doch über den Partner bzw. über die Kinder. Wird er nun von der Grundsituation her das Leben führen, das sie sich immer erträumte? Was für eine Persönlichkeit ist sie? Welche Lebensplanung hatte sie? Ist sie eine Rationalistin in der Durchsetzung ihres Lebenszieles, das von Emotionen getragen wird? Ist sie ein Stück weit Fatalistin im positiven Sinne, da sie davon ausgeht,dass es ihr Schicksal gewesen sei, Fr. Crawford maior geheiratet zu haben? Ist das ein Zug von Nc, die Ergebenheit in das Schicksal?


Alles Fragen, aber welchen Wert haben sie angesichts der Tatsache, dass dir doch bei deinem Schatz an literarischem Wissen Vergleiche, Bezüge tausendfach "entgegendchallen" müssen? Ich habe nichts dagegen ein alumnus zu sein - ganz im Gegenteil, aber warum machst DU dies, wenn ich fragen darf?

herzliche Grüße
Saskia


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